Von Willi A. Kerker
Unser Verhandlungsführer Martin Dieckmann stellte am Anfang der Tarifrunde den Arbeitgebervertretern eine Frage: „Wo sind eigentlich Herr oder Frau Boyens?“
Die Frage hatte natürlich einen Hintergrund. Durch die neuen Betriebsgründungen wurde uns bei den Verhandlungen vor zwei Jahren mitgeteilt, dass Boyens Offset jetzt Mitglied bei den Zeitungsverlegern geworden sei. Gibt es jetzt eigentlich noch Bereiche bei Boyens, die zum Tarifgebiet der Druckindustrie gehören? Ist Sönke Boyens als Mitglied der Tarifkommission der Druckindustrie ein „König ohne Land“? Er verhandelt dort über Löhne und Gehälter, die er im eigenen Haus so gar nicht bezahlen muss. Fakt ist aber auch, dass er trotz des Wechsels in einen anderen Tarifbereich weiterhin nach dem Drucktarif eingruppiert und bezahlt.
Es besteht Handlungsbedarf. Welche Betriebe bei Boyens gehören zu welchem Tarifbereich? Viele Kolleginnen und Kollegen fragen sich jetzt vielleicht: „Wieso ist das für mich wichtig? Es hat sich doch bei mir persönlich nichts verändert“. Bislang waren bei den Tarifbereichen Druckindustrie und Zeitungsverlage keine großen Unterschiede zu erkennen. Im Laufe der letzten Jahre hat sich das aber schon verändert, und wenn ich auf die aktuelle Tarifrunde schaue, kann es bei Boyens große Probleme geben. Die Druckindustrie verlangt in der jetzigen Tarifrunde z. B. einen Arbeitszeitkorridor bis 40 Stunden. Die Zeitungsverlage wollen im Prinzip bei der 35-Stunden-Woche bleiben.
Käme es zu so einem Abschluss, müssten im gleichen Unternehmen, manchmal sogar in der gleichen Abteilung, fürs gleiche Geld unterschiedlich lange gearbeitet werden. Schon heute gibt es Unterschiede bei der Freischichtenregelung. In der Druckindustrie gibt es max. zwei Freischichten nach Alter gestaffelt, bei den Zeitungsverlagen weiterhin drei Freischichten usw.
Aus der Rechtsabteilung unserer Gewerkschaft in Berlin gibt es dazu eine eindeutige Aussage: Gibt es in einem Haus zwei unterschiedliche Tarifbereiche, gilt für den gewerkschaftlich Organisierten immer der Tarif, der für ihn am günstigsten ist. Hört sich gut an, bedeutet aber auch, dass jeder einzelne letztendlich die Ansprüche persönlich anmelden muss, im schlimmsten Fall also klagen.
Einfacher wäre schon, wenn die Geschäftsleitung einmal offenlegt, welcher Betrieb zu welchem Tarifbereich gehört.
Übrigens die von Martin Dieckmann gestellte Frage wurde oder konnte von den Arbeitgebervertretern der Zeitungsverlage nicht beantwortet werden.